Vom Pop-Strategen zum Farb-Poeten
DAGMAR BURISCH,
Kunsthistorikerin
Bernd Luz besitzt Sammlerinstinkt. Doch sind es keine Dinge, die der Künstler und diplomierte Kommunikations-Designer aus Neuhausen ob Eck fleißig zusammenträgt, sondern Augenfunde, Eindrücke und Bilder, die ihm der Alltag gleichsam entgegen spült.
Auf seinen Streifzügen hält der Werbeexperte, der zudem Foto-Design studiert hat, mit der Kamera fest, was seine „Sammlung“ bereichern könnte.
Aber auch der kollektive Bilderfundus, dank heutiger Medientechnologie zugänglicher denn je, erweist sich als Fundgrube für seine dicht gewebten Themen-Tableaus, die mit farbkräftigen Malgründen das Auge locken und in einem Netz aus Assoziationen gefangen halten.
Die Mediamix-Collagen von Bernd Luz schleichen sich gekonnt in unsere Wahrnehmung, laden zur entspannten Betrachtung ein, weil sie sowohl auf Kritik als auch Provokation verzichten und ebenso wenig grüblerisches Hinterfragen fordern.
Vielmehr rechnet und spielt der Künstler mit den Sehgewohnheiten seiner Zeitgenossen, baut auf Vertrautes und macht sich den Wiedererkennungseffekt zunutze.
Dabei geht es ihm nicht etwa um unterschwellige Wirklichkeitsenthüllung, sondern eher um das Aufheben der Grenze zwischen Alltag und Kunst. Er lässt die Kunst in sein Leben und das Leben in seine Kunst – ganz im Sinne der Pop Art, in deren Nachfolge er sich und seine Werke stellt.
Auf den Spuren der Pop Art
„Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen Kunst und Leben“, proklamierte einst Robert Rauschenberg, ein Hauptvertreter der Pop Art, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts die Kunstwelt kräftig durcheinanderwirbelte und revolutionierte, weil sie die erste Kunstrichtung der Moderne war, die einen raschen, breiten und publikums- wirksamen Erfolg hatte. Damals hielt die kommerzielle Bildwelt Einzug in die Kunst und machte sie leicht zugänglich „populär“ für das allgemeine Publikum. Verlockend, glamourös mit stimulierender Farbgebung und durchaus dekorativem Reiz bahnte sich die Pop Art ihren Weg ins kollektive Bewusstsein – bis heute.
Viele der Pop-Ikonen wie A.Warhol, R. Rauschenberg oder J. Johns kamen ursprünglich aus der Werbebranche – Plakatmaler der eine, Dekorateur der andere – die Praxis des „Scheinwelterzeugens“ war ihnen bestens vertraut und dieses Wissen nahmen sie mit in ihre Kunst.
Doch es waren nicht nur die Modernität der Bildmotive, sondern auch die Freiheit der Mittel, die die gültigen Koordinaten im Bereich der Kunst seither verschoben haben. Plötzlich gab es unzählige Möglichkeiten, sich als Künstler aus dem Zwang zu befreien, eine Technik, einen Stil oder Bildsprache erfinden zu müssen, um Neues zu produzieren. Die Pop Künstler nahmen sich die Freiheit, auf unterschiedliche Themen und Bilder Bezug zu nehmen, sich nach Belieben eine Stilart anzueignen und sich ungewöhnlicher Herstellungsmethoden zu bedienen.
Und weil die Pop Art weder als Stil noch als Schule zu verstehen ist (zu disparat waren ihre Erscheinungsformen), sondern eher als Herangehensweise bezeichnet werden muss, konnte durch sie jener fruchtbare Boden bereitet werden, den die Erben der Pop Art heute noch bestellen. Anleihen bei beziehungsweise Parallelen zur Pop Art finden sich durchaus auch im Werk von Bernd Luz, etwa die perfekte Beherrschung der Medienwelt (schon allein aus Berufsgründen), der Rückgriff auf Kultbilder, das bewusste Verzahnen von Design und Kunst und der offene Umgang mit Auftragsarbeiten, also die kommerzielle Auswertung seiner Bildfindungen.
Seine Bilder wecken Emotionen, sie wollen gefallen und sie finden ihr Publikum in zahlreichen Ausstellungen der Region, aber auch weit über die Grenzen hinaus.
Mediamix-Arbeiten
„Ansprechend“ wirken vor allem die mit Bildzitaten gespickten Mediamix-Arbeiten, die sich verschiedenen Themenkomplexen widmen. Die Darstellung entspricht in der Isolierung und Neuordnung der Elemente dem Prinzip der Collage – und auch hiermit begibt sich Bernd Luz auf die Spur der Pop Artisten.
Abgesehen von den Urvätern der Collage, den Dadaisten und Surrealisten, dürften für seine spezielle Kompositionsweise die Combine Paintings eines R. Rauschenberg Pate gestanden haben. Er war es, der seinerzeit aus dem Collage-Prinzip neue Bildmöglichkeiten entwickelt hat, indem er in seine Ölmalerei im Druckverfahren schwarz-weiße und farbige Fotos einbezog.
Ähnlich verfährt Bernd Luz, wenn er auf die mit Acrylfarbe bemalte Leinwand im zeitgemäßen Solvent-Druck (einer digitalen Drucktechnik) fotografierte und am Computer bearbeitete Embleme unserer Kultur überträgt und diese in einem weiteren Schritt erneut mit gemalten Eingriffen akzentuiert.
Die so entstandene Verbindung von Malerei und Fotomontage betont einerseits die Aktion der künstlerischen Gestaltung und verleiht andererseits der Bildfläche eine unbestimmte Vieldimensionalität, in der sich die Farbschichten und Motive wie in traumhaften Visionen durchdringen. Das kompositorische Verschränken gesammelter Bildreproduktionen, eingebettet in suggestive Farbräume, gleicht in gewisser Weise gemalten Skizzenblättern, auf denen Zitate, Notizen und visuelle Funde unterschiedlichster Herkunft zusammentreffen und gleichrangig nebeneinander stehen. Die Kunst besteht darin, das räumlich Disparate, das zeitlich Getrennte, das künstlerisch Verschiedene, das Eigene und das Fremde in einer überzeugenden Bildaussage zu bündeln.
Hier erweist sich Bernd Luz als geschickter Arrangeur. Es gelingt ihm, das Ausschnitthafte als Verweis auf komplexe Zusammenhänge so zu inszenieren, dass sich auf der Bildfläche ganze Geschichten entspinnen. Möglicherweise kommen ihm da ja seine schon in der Jugend gesammelten Erfahrungen mit der Filmarbeit zu Hilfe.
In den Städtebildern nimmt er den Betrachter mit auf eine virtuelle Reise: Venedig, Wien, Paris, New York … tauchen anhand ihrer jeweiligen Wahrzeichen vor dem geistigen Auge auf und entfalten ihre Magie. Kultmotive wie Flower-Power und Woodstock rufen ein epochales Lebensgefühl wach und Ikonen der Neuzeit (Elvis) wie der Klassik (Goethe) beschwören wegweisende Kulturleistungen, wenn auch unterschiedlichster Art.
Aber auch das ist Pop, die Gleichbehandlung des Trivialen und des Gehobenen, das Verschwimmen der Grenze zwischen Massenkultur und Hochkunst. Heutzutage befinden sich High- und Low-Culture längst in inspirierender Wechselspannung und der Umgang mit einstigen Widersprüchen ist entspannt.
Nicht zuletzt darauf lenken die Arbeiten des Künstlers und Designers Bernd Luz das Augenmerk und deshalb können auch Städte-Tableaus, Tierporträts (Auge in Auge mit Adler, Wolf, Bär und Co.), die bildgewordene Hommage an den historischen Rennsport (in einer Dauerausstellung präsent im Musée National Cité de l´Automobile Mulhouse) und vielerlei Persönlichkeiten mit Kultstatus innerhalb eines Werkkatalogs schlüssig zusammenwachsen.
„Ich setze um, was mich berührt“, sagt Bernd Luz und damit entzieht er sich erfolgreich der Einordnung in festgelegte Kategorien.
Abstrakte Farbräume
Inzwischen gibt es noch eine weitere, vergleichsweise neue Facette im Werk des Künstlers. Diese ist in den Mediamix-Arbeiten bereits angelegt und hat sich jetzt „verselbstständigt“. Was bisher Hintergrund und Begleitung war wird nun zum Hauptdarsteller: die Farbe.
Unter Verzicht auf jede gegenständliche Anspielung und Figur überlässt Bernd Luz sich und die Bildfläche ganz und gar dem Zusammenspiel von Farbe, Struktur und Licht. An die Stelle des fest ineinander verwobenen Motivgeflechts der Collagen tritt hier der reine illusionistische Farbraum, meist von einer tonangebenden Farbe dominiert („Sentimental Yellow, …Red, …Blue“).
Die Vorgehensweise ist nicht mehr konzeptuell, sondern stimmungsgelenkt. Statt ein entzifferbares Abbild der Wirklichkeit zu entwerfen, wird die Wirklichkeit des Bildes malend reflektiert – beim Malen mit der Farbe denken, lautet die Devise.
„Bisweilen stelle ich mir die Farben als lebendige Gedanken vor. Wesen reiner Vernunft, mit denen ich mich auseinandersetzen kann.“ Dieses Cézanne-Zitat, dem Bernd Luz eine seiner Kompositionen gewidmet hat, steht programmatisch für seine aktuelle Werkphase.
In diesen abstrakten Gedankenbildern sorgen Farbbahnen, mit der Rakel über die Fläche gezogen, für Struktur und Richtung: sich querend, begleitend oder überlagernd, meist transparent, fließend oder wie im Stakkato gesetzt, verschaffen sie dem Bildraum Tiefe – scheinbar unbegrenzt. Der Betrachter „betritt“ die sich öffnenden Farbräume und lässt sich von den sinnlich erfahrbaren Stimmungen einfangen.
Verstärkt wird das Atmosphärische dieser Malerei noch durch Gedichtzeilen, die den Bildern als Begleitung mitgegeben werden. Wort und Bild wirken zusammen, gemäß der einst von Horaz geprägten Formel „Ut pictura poesis“ – die Dichtung sei wie Malerei. Will heißen, das Gedicht ist ein sprechendes Bild und das Gemälde schweigende Poesie. Beide, Dichtung und Malerei gehorchen denselben Strukturgesetzen und berühren das Gemüt.
Bernd Luz ist ein kreativer Geist, vielseitig und umtriebig, doch ganz gleich, ob poetisch-atmosphärischer Farbraum oder dichte Motiv-Collage, er bleibt sich und seinem innersten Anliegen treu: es geht ihm um Kommunikation, denn die verbindet Menschen – und ist nicht die Kunst die schönste Form von Kommunikation?